Die LHA Weilmünster als „Zwischenanstalt“ im Rahmen der „Aktion T4“

Die Anstalt in Weilmünster spielte eine wichtige Rolle im Rahmen der systematischen Ermordung eines großen Teils der Anstaltspatient:innen des Deutschen Reichs in den Jahren 1940/41. Die „Aktion T4“ genannten und von Berlin aus gesteuerten Vorgänge – die zentrale Dienststelle befand sich ab April 1940 dort in der Tiergartenstraße 4 – wurden 1941 auf Hessen-Nassau ausgeweitet. Zu den bereits bestehenden fünf Tötungsanstalten kam eine weitere, in Hadamar, hinzu.
Die per „Meldebogen“ selektierten Patient:innen wurden zunächst in sogenannten Zwischenanstalten gesammelt, um dann nach Hadamar gebracht und dort sogleich in der Gaskammer ermordet zu werden. Insgesamt waren Hadamar neun „Zwischenanstalten“ zugeordnet. Geht man nach der Zahl der durchgeschleusten Personen, war Weilmünster die größte dieser neun Anstalten.
Bereits während der Vorbereitung der Gasmorde diente Weilmünster als Basis für den Ausbau Hadamars. Der Leiter der „T4“-Inspektionsabteilung, Adolf Gustav Kaufmann, traf sich Ende 1940 mit dem Wiesbadener Anstaltsdezernenten Fritz Bernotat auf dessen Jagdschlösschen nahe Weilmünster und beauftragte dabei Bernotats Schwager, Fritz Schirwing – zu diesem Zeitpunkt Maschinenmeister in Weilmünster – mit dem Einbau der Gasinstallationen in Hadamar.
Für alle „Zwischenanstalten“ galt, dass zunächst die selektierten „eigenen“ Patient:innen deportiert wurden, um im Anschluss die geplante logistische Funktion übernehmen zu können, so auch in Weilmünster: Zwischen dem 15. Januar und dem 13. März wurden in elf Transporten ca. 765 Patient:innen nach Hadamar deportiert. Darunter waren 91 Menschen, die von der nationalsozialistischen Administration als „jüdisch“ identifiziert worden waren. Sie waren seit Mitte 1938 in Weilmünster in einer separaten „Ghettoabteilung“ zusammengeführt worden. Am 7. Februar 1941 wurden sie in einem Transport nach Hadamar verlegt und ermordet. In der entsprechenden Tabelle auf dieser Webseite sind sie an den zwangsweise vergebenen Namensbestandteilen „Sara“ und „Israel“ zu erkennen, die so auch in die offiziellen Sterbeurkunden eingegangen sind.
Vom 18. März bis zum 21. August 1941 wurden in vermutlich 23 Transporten „Zwischenanstalts“-Patient:innen, die aus den Anstalten in Gießen, Heppenheim, Goddelau, Darmstadt-Eberstadt, Alzey, Göttingen, Marburg, Haina, Marsberg und Warstein nach Weilmünster gebracht wurden, nach Hadamar überstellt, um dort ermordet zu werden – insgesamt über 1830 Menschen.
Als die „Aktion T4“ im August 1941 abgebrochen wurde, kam das für alle Tatbeteiligten überraschend und man rechnete damit, dass die „Maßnahmen“ bald fortgesetzt werden würden. Daher gingen noch bis September 1941 Transporte aus Stammanstalten in die „Zwischenanstalten“. Nachdem die Gasmorde in Hadamar doch nicht wieder aufgenommen wurden, wurde eine große Zahl der Menschen, die nicht weiterverlegt werden konnten, in Weilmünster getötet. Sie waren zwischen dem 23. Juli und dem 24. September 1941 aus Anstalten in Herborn, Rotenburg, Lengerich, Haina, Goddelau, Liebenberg und Strecknitz nach Weilmünster gebracht worden.